Kettly Mars
Roman. Aus dem Französischen von Antje Tennstedt. Litradukt, Kehl 2011. 85 Seiten, € 11,90
Haiti, Port-au-Prince: Anaïse führt ein gutbürgerliches Leben, sie hat ihre Arbeit, eine nette Arbeitskollegin, ein Haus – und dennoch sehnt sie sich nach dem Anderen – nach der Scheidung von ihrem Mann Léo. Dabei trifft sie Bony, einen Zuhälter, und wird zu Frida, seiner Mätresse. Léo hat Anaïse verlassen, weil sie keine Kinder bekommen konnten; mit seiner neuen Frau Elisabeth hat er einen Sohn, den er liebt, aber er kann sich nicht von der neu entdeckten Seite seiner Ex-Frau loslösen. Frida hält Léo in ihrem Bann, er begehrt sie mehr als zuvor. Auch Bony liebt sie auf seine Weise, doch als das neue Mädchen Natacha in das Bordell in der Unterstadt kommt, beginnt sich alles zu verändern. Frida und Anaïse wissen nicht, was sie tun sollen. Es scheint so, als ob es nur mehr einen Ausweg gäbe, aber welcher genau das sein soll, bleibt unklar.
Der von Peter Trier 2010 gegründete Litradukt-Verlag präsentiert mit besonderer Vorliebe und Mühe (im deutschsprachigen Raum) unbekannte haitianische Literaturschmankerl. Das Buch von Kettly Mars ist ein ebensolches. Zwei Frauengestalten, die dieselbe und doch verschieden sind, verschwimmen in einem Körper, der mit seiner Lust den Männern dient. Anaïse und Frida erzählen mit- und nebeneinander, ihre Darstellungen bzw. Perspektiven verschwimmen, und als Lesende/r weiß man eigentlich nicht, wo die eine beginnt und die andere aufhört. Es ist eine eindringliche, einfache Sprache, die sich besonders auf die Emotionen konzentriert, auf das Innenleben der beiden Frauen, die seltsam flach erscheinen, obwohl ihre Leben doch so real sind. Auf den wenigen Seiten dieses Büchleins klingen viele Themen an, werden aber nicht vollends erläutert (was allerdings auch nicht Sinn und Zweck dieser Erzählung ist), sondern reizen durch ihre Offenheit. Vieles bleibt der Imagination der LeserInnen überlassen, und das ist gut so.
Ruth Papacek
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